Die Zukunft der Verwaltung ist proaktiv
Die Interaktion zwischen Bürger*innen und Unternehmen mit der Verwaltung soll in Zukunft deutlich schneller, effizienter und nutzerfreundlicher werden. Deshalb verpflichtet das Onlinezugangsgesetz (OZG) den Bund, die Länder und die Kommunen, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten.
Für die konkrete Umsetzung des OZG stehen die beiden Aufgaben Digitalisierung und Vernetzung im Vordergrund: Zum einen müssen Verwaltungsleistungen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene digitalisiert werden. Zum anderen muss eine IT-Infrastruktur geschaffen werden, die jedem/jeder Nutzer*in den Zugriff auf die Verwaltungsleistungen mit nur wenigen Klicks ermöglicht.
Da Deutschland föderal organisiert ist, wird die bundesweite Verwaltungsdigitalisierung zu einem vielschichtigen Prozess. Jedes Bundesland besitzt eigene Kompetenzen bei der Gesetzgebung und darüber hinaus existiert eine Vielzahl bereits vorhandener Gesetze, Leistungen und IT-Infrastrukturen. Dies macht die Bereitstellung bundesweit gleichwertiger digitaler Angebote für alle Bürger*innen und Unternehmen extrem komplex und aufwendig.
Die Digitalisierung der deutschen Verwaltung ist eines der zentralen Vorhaben der Bundesregierung und trotz der genannten Herausforderungen bereits in vollem Gang. Dabei sollen Verwaltungsleistungen nicht nur digitaler, sondern vor allem auch nutzerfreundlicher umgesetzt werden. Die Zukunft der Verwaltung ist deshalb proaktiv: Verwaltungsleistungen werden ohne Antrag und Zutun der Nutzer*innen automatisch erbracht.
Das Projekt Digital Readiness Assessment and Piloting for German Public Services (DR&P) erforscht Konzepte und Methoden, die eine solche Zukunft möglich machen, und probiert sie prototypisch aus. Die „Readiness-Assessment-Methode für Verwaltungsleistungen“ setzt auf eine proaktive Rolle der Verwaltung und geht damit einen entscheidenden Schritt weiter, als es die Online-Formulare bisher taten.
Im Rahmen des Projekts DR&P wurde eine Readiness-Assessment-Methode für Verwaltungsleistungen erarbeitet und pilotiert. Im Fokus standen dabei die Effizienz von Verwaltungsprozessen, die Nutzerzentrierung der Leistungen und die Attraktivität für Verwaltungsmitarbeitende. Dabei kamen neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und Digital Ledger Technologies (DLT) zum Einsatz. Auch die hohen Anforderungen an den Datenschutz können mühelos berücksichtigt werden.
Der entwickelte Prototyp zeigt anschaulich, wie antragslose Verwaltungsleistungen bereits heute technisch umgesetzt werden können. Dazu werden mithilfe des digitalen Assistenten „Verwaltungsbutler“ automatisch Nachweise bei Behörden eingeholt und Anträge gestellt. Auf einem Dashboard kann der/die Anwender*in die Arbeit des „Butlers“ transparent nachvollziehen und live beobachten.
Die entwickelte Lösung basiert auf aktuellen Forschungsergebnissen zu sogenannten proaktiven Verwaltungsleistungen und hat den Vorteil, dass die Automatisierung unter der Kontrolle der Nutzer*innen bleibt. Technisch stützt sich der „Verwaltungsbutler“ auf die bestehende Infrastruktur und die Schnittstellen vom „FIT-Connect Zustelldienst“ der FITKO und der „BayernID“ der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB), wodurch eine schnelle Übertragung in die Praxis möglich ist.
In Zusammenarbeit mit IBM entwickelt fortiss darüber hinaus eine offene Schnittstellen-Spezifikation nach dem OpenAPI-Standard, der die typischen Interaktionen zwischen Nutzer*innen und Verwaltung sowie innerhalb der Verwaltung abdeckt. Diese Spezifikation ist für alle Verwaltungsleistungen einheitlich und kann deshalb leicht skaliert werden.
Die Digitalisierung ermöglicht die Transformation der öffentlichen Verwaltung von bürokratischen Genehmigungsstellen hin zu nutzerzentrierten Dienstleistern. Dabei helfen die Ergebnisse des Projekts, abstrakte Konzepte der Nutzerfreundlichkeit wie Once-Only und Proaktivität auf praktische Verwaltungsarbeit anzuwenden und zu implementieren. Die Nutzer*innen der Verwaltung werden aktiv unterstützt und mit individuellen Verwaltungsservices versorgt.
Besonders großes Potenzial haben automatisierte Abläufe nicht nur für den Einzelnen, sondern vor allem für Unternehmen und Organisationen: Behördengänge stehen sehr viel häufiger auf ihrer Tagesordnung und die Prozesse sind weitaus komplexer. Könnten sie durch eine proaktive Verwaltung Zeit und Geld sparen, käme das letztendlich dem Wirtschaftsstandort Deutschland und damit der gesamten Gesellschaft zugute.
fortiss und IBM haben mit ihrem Projekt zu proaktiver Verwaltung die Grundlagen für eine nutzerfreundliche Verwaltung der Zukunft gelegt. In einem nächsten Schritt sollen die Ergebnisse des Projekts mit Verwaltungen auf kommunaler und Landesebene in die Praxis übertragen werden.
Seit Dezember 2022 werden die gewonnenen Resultate in einem Folgeprojekt mit der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB) weiter vorangetrieben. Die Ergebnisse sollen anschließend direkt als Produkt in das bestehende Portfolio der AKDB aufgenommen werden.