Projektabschluss

Coding Public Value – ein digitaler Beitrag zum Gemeinwohl

Nach dreijähriger Laufzeit wurde das fortiss Forschungsprojekt Coding Public Value (CPV) im Sommer 2023 erfolgreich abgeschlossen. Ein interdisziplinäres Projektteam analysierte die Umsetzung rechtlicher, politischer und nutzerorientierter Anforderungen an Softwaresysteme, die bei den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten eingesetzt werden. Das Projekt wurde vom Bayerischen Institut für Digitale Transformation (bidt) gefördert und stellt als Ergebnis einen gemeinwohlorientierten Leitfaden zur Verfügung. Er beinhaltet geeignete Ansätze und Methoden der Softwareentwicklung.

Eine der großen Zukunftsaufgaben für die öffentlich-rechtlichen Medien ist die Entwicklung, Bereitstellung und der Betrieb einer gemeinwohlorientierten, digitalen Kommunikationsinfrastruktur. Rundfunk- und Telemedienangebote, die unter die Begriffe Gemeinwohl bzw. öffentlicher Wert (Public Value) fallen, müssen einen Nutzen oder Wert für die Gesellschaft erbringen. In der Praxis bleibt der Begriff des öffentlichen Werts im Bereich der Medien abstrakt. Medienangebote, die in die Kategorie Public Value fallen, sollten, unabhängig von der Medienplattform, einfach und schnell aufzufinden sein. Die Umsetzung dieser im Medienstaatsvertrag (MStV) verankerten leichten Auffindbarkeit erhöht deshalb den Bedarf an Softwaresystemen, die sie realisieren und gewährleisten können. Im Zentrum des Projekts CPV stand daher die Frage: Wie lässt sich Software entwickeln, die sich auf Gemeinwohl, Nutzerinteressen und medienrechtliche Regulierung bezieht?

Verantwortungsvolles Software-Engineering

CPV untersuchte die institutionellen, politischen und organisatorischen Rahmenbedingungen, die erforderlich sind, um derartige Medienplattformen mithilfe eines gemeinwohlorientierten Software-Engineerings zu betreiben. Das interdisziplinäre Projekt vereinte die Disziplinen Softwaretechnik, Rechtsforschung, Kommunikationswissenschaft sowie Gesellschafts- und Technikwissenschaften. Gemeinsam mit dem Munich Center for Technology in Society an der Technischen Universität München (TUM), dem Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der Ludwig Maximilians Universität München (LMU) und dem Leibniz-Institut für Medienforschung – Hans-Bredow-Institut (HBI), haben die fortiss Expert*innen einen gemeinwohlorientierten Leitfaden erstellt. Dieser wurde gemeinsam mit dem Kompetenzfeld Requirements Engineering unter der Leitung von Prof. Dr. Daniel Mendez entwickelt. In dem vom fortiss geleiteten Arbeitspaket hat Wissenschaftler Oleksandr Kosenkov einen artefaktbasierten Ansatz entworfen, der als systematische Anleitung für Mitarbeiter*innen aus den Bereichen Softwareentwicklung, Recht und Redaktion eingesetzt werden kann, um gemeinsam Softwareanforderungen zu definieren.

Eine wesentliche Quelle für Anforderungen sind beispielsweise die redaktionellen Leitlinien. Neben anderen Informationen definieren sie die Zielgruppen der öffentlich-rechtlichen Medienorganisation. Diese Zielgruppen müssen effektiv in Benutzergruppen „übersetzt“ werden, die in Anforderungsartefakten (z. B. Anforderungsspezifikationen, User Stories) festgehalten sind. Außerdem muss die Konsistenz zwischen den Zielgruppen in den Artefakten der Mediendomäne und den Nutzergruppen in den Software-Anforderungsartefakten im Laufe der Zeit aufrechterhalten werden und Änderungen müssen bei Bedarf vorgenommen werden.

Das Anforderungsartefaktmodell dient hier als Hilfsmittel, das Softwareingenieure bei der Festlegung von Anforderungen unterstützt. Es erleichtert den Prozess der Anforderungsspezifikation und ermöglicht gleichzeitig die Nachverfolgung der Anforderungen bis zu ihren Ursprüngen. Das von fortiss entwickelte Modell integriert zum einen die Ergebnisse der vom gesamten Konsortium durchgeführten Arbeitspakete, zum anderen konkretisiert es die Informationen, die für die politischen, regulatorischen und organisatorischen Rahmenbedingungen erforderlich sind.

Das Ergebnis des Projekts zeigt Wege zur Bewältigung komplexer Anforderungssituationen auf und verdeutlicht gleichzeitig die Herausforderungen, die im Prozess entstehen. Vor allem dann, wenn die Einhaltung von Vorschriften und die Einbeziehung verschiedener Interessengruppen erforderlich ist. Der Leitfaden bildet eine hervorragende Grundlage für zukünftige Forschungen zur Anforderungserhebung in anderen Kontexten, die die Einbeziehung von Expert*innen und von Themen des öffentlichen Interesses erfordern.

Zukunftsaufgabe für die öffentlich-rechtliche Idee

Die Umsetzung von Public Value ist und bleibt ein wichtiger Aspekt für Fernseh-, Radio- oder Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten. Sie werden sich zukünftig vermehrt in die Schaffung und den Betrieb von digitalen Kommunikationsplattformen einbringen. Hierzu zählen Dienste wie Mediatheken sowie digitale Angebote, wie sie beispielsweise durch Smart-TVs oder Smart Speaker bereitgestellt werden. Ergänzt werden diese durch digitale Formate und Inhalte, die jeweils an die Ausspielplattformen angepasst sind und die eine Öffnung für Interaktion mit dem Publikum und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen.

Der im Projekt CPV entwickelte Leitfaden für die Softwareentwicklung bietet dazu den notwendigen Rahmen für die Erhebung und Dokumentation von rechtlichen, politischen und institutionellen Anforderungen, die durch öffentliche Werte begründet sind.
 

Lesen Sie mehr zum Thema Coding Public Value im Interview mit fortiss-Wissenschaftler Oleksandr Kosenkow:
► Digitalisierung verändert die Art und Weise, wie Gesellschaft und Organisationen arbeiten

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