Die steigende Integration erneuerbarer Energien in das Stromsystem stellt wachsende Anforderungen an die Netzinfrastruktur. Volatile Stromerzeugung und ein höherer Anteil an Wind- und Sonnenenergie führen dazu, dass die bisherigen Modelle der Stromnetzsteuerung an ihre Grenzen stoßen. Um die Integration erneuerbarer Energien voranzutreiben und die Effizienz des Stromverbrauchs zu steigern, bedarf es neuer, flexibler Ansätze, die sowohl kurzfristige als auch langfristige Anreize bieten.
Das BEST-Projekt (Blockchain-basierter dezentraler Energiemarkt) hat einen innovativen Ansatz entwickelt, um diesen Aspekten zu begegnen. Ein dezentral gesteuerter lokaler Strommarkt ermöglicht es, Strom frei zu handeln, wenn die Netzinfrastruktur es zulässt, und lokale Flexibilität zu nutzen, wenn Engpässe auftreten. Durch die Nutzung regionaler Flexibilität sollen Überlastungen vermieden und die Stromversorgung lokal optimiert werden. fortiss übernahm dabei die Entwicklung optimierter Betriebsstrategien, die Gestaltung der Peer-to-Peer (P2P)-Stromhandelsplattform und die praktische Umsetzung in der Laborumgebung.
Feldtest unter realen Marktbedingungen
Im Anschluss an die dreijährigen Forschungsarbeiten wurde unter der Leitung des Berliner Reiner Lemoine Instituts (RLI) gemeinsam mit Expert*innen des Fraunhofer-Instituts für offene Kommunikationssysteme (FOKUS), des Digitalunternehmens OLI Systems, der Hochschule Weserbergland, des Energiedienstleisters e-regio und der Energieforen Leipzig ein Testfeld im Raum Euskirchen geschaffen. Dort wurden gewerbliche, kommunale und private Standorte mit der erforderlichen Hard- und Software ausgestattet. Ein auf Blockchain-Technologie basierender Handelsmechanismus, der mögliche Netzengpässe berücksichtigt, wurde in enger Zusammenarbeit mit einem regionalen Energieversorger implementiert. So konnte der Markt unter realen Bedingungen getestet werden, was wichtige Erkenntnisse lieferte.
Zu den wichtigsten Ergebnissen des Feldtests gehört die Erkenntnis, dass die Anbindung bestehender Anlagen an die IT-Infrastruktur eine große Hürde darstellt. Der hohe Personal- und Kostenaufwand für die Integration heterogener Bestandsanlagen macht deutlich, dass standardisierte Messkonzepte und eine verbesserte Anbindung an Energiemanagementsysteme erforderlich sind, um das Flexibilitätspotenzial insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen voll auszuschöpfen. Ein weiterer Punkt ist die erhöhte Netzbelastung, die durch die gleichzeitige Weitergabe von Strompreissignalen entsteht, insbesondere angesichts der zunehmenden Elektrifizierung in den Bereichen Mobilität und Wärme. Neue Regelungen, wie sie im §14a EnWG vorgeschlagen sind, könnten hier Abhilfe schaffen, sofern sie räumlich und zeitlich präziser definiert werden. Gleichzeitig zeigt sich das Potenzial lokaler Strommärkte, die eine transparente und skalierbare Lösung bieten, um das Stromangebot und die Nachfrage vor Ort effizient zu steuern.
Private Haushalte sowie KMU profitieren von Lösungen vor Ort
Lokale Strommärkte ermöglichen es Haushalten und Unternehmen, ihre Anlagen flexibel zu nutzen, um gezielt Kosten zu senken, ohne dass dies ihre betrieblichen Abläufe beeinträchtigt. Insbesondere private Haushalte und kleine sowie mittlere Unternehmen (KMU) profitieren von dieser Möglichkeit, ihre Stromkosten zu reduzieren. Der Test hat jedoch auch deutlich gemacht, dass der flächendeckende Einsatz intelligenter Messsysteme (Smart Meter) eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des lokalen Stromhandels ist.
Die Ergebnisse des BEST-Projekts belegen, dass lokaler Stromhandel eine vielversprechende Lösung zur Bewältigung der Herausforderungen des zunehmenden Anteils erneuerbarer Energien darstellt. Dennoch sind zusätzliche technische und regulatorische Anpassungen erforderlich, um die Integration breiterer Marktsegmente zu ermöglichen und die Skalierbarkeit weiter zu erhöhen.