Die Blockchain-Technologie stellt die Grundlage für Transaktionen jeder Art zur Verfügung – auch für den Handel mit Strom. Transaktionen werden in Blöcken zusammengefasst und mit einer eindeutigen Signatur versehen, dadurch entsteht ein dezentrales Kontrollsystem, das ohne Autoritäten wie Banken oder Makler auskommt. Die Blockchain-Technologie ermöglicht, Strom direkt zwischen erzeugenden und verbrauchenden Anlagen zu handeln. Mit diesem Vorgehen profitiert das gesamte Energiesystem, weil es erheblich flexibler auf Schwankungen reagieren kann. So unterstützt Blockchain den dezentralen Ansatz der Energiewende und kann dabei helfen, den Bedarf an kompensierenden Maßnahmen wie Speicher oder Netzausbau zu verringern.
Schlüsseltechnologien liefern Impulse für den Strommarkt
Bei der konventionellen Stromerzeugung kaufen und verkaufen Energieversorgungsunternehmen für jede Viertelstunde eines Tages Strom auf Stromgroßhandelsmärkten. Kommt es zu Engpässen oder geraten Angebot und Nachfrage aus dem Gleichgewicht, gleichen Übertragungsnetzbetreiber mit Regelenergie aus – das bedeutet, dass etwa Kraftwerke kurzfristig hoch- oder heruntergefahren werden, Pumpspeicherkraftwerke zugeschaltet, oder große Verbraucher vom Netz getrennt werden.
Durch die Energiewende wird die Stromerzeugung immer dezentraler und volatiler – die Stromerzeugung kann lokal stark schwanken. Darum sollte Energie zukünftig möglichst direkt dort verbraucht werden, wo sie auch erzeugt wird und vor allen Dingen dann, wenn sie gerade verfügbar ist. Dafür benötigen die Menschen zum einen intelligente Stromzähler, sogenannte Smart Meter, die den Stromverbrauch in enger Taktung messen und kommunizieren. Zum anderen benötigen sie lokale Strommärkte, wo Überschüsse und Engpässe sofort automatisiert untereinander ausgeglichen werden können. Dies würde das Stromnetz insgesamt entlasten. Im BEST-Projekt entsteht daher ein Strommarktbietersystem (SMBS) auf Basis einer Blockchain, das diesen lokalen Handel im Sinne der Energiewende unterstützt.
Von der Laborumgebung am fortiss direkt in den Probebetrieb
Das Reiner Lemoine Institut, das auch das BEST-Konsortium koordiniert, sammelt zunächst die Anforderungen an das SMBS, erstellt anschließend ein Konzept, auf dessen Basis die Software entwickelt wird. Das fortiss Institut ist neben der OLI Systems GmbH und dem Fraunhofer Institut FOKUS an dessen Programmierung beteiligt. Die fortiss Wissenschaftlerin Dr. Yuanting Liu fokussiert sich dabei unter anderem auf die Entwicklung mehrerer zusammenhängender Teilsysteme für das Strommarktbietersystem. "Ein Blockchainbasiertes Strommarktbietersystem sollte für den Stromhandel gut nutzbar und akzeptabel sein. Dafür ist es wichtig zu erforschen, wie können Nutzer*innen sinnvoll in die dezentrale Verwaltung der Blockchain eingebunden werden? Was sind die Vorteile eines solchen Systems für die beteiligten Akteure eines solchen Systems? Wie kann eine Nutzerinteraktion mit einem solchen Strommarktdesign umgesetzt werden, sodass sich Komfortvorteile ergeben und gleichzeitig das Verständnis für die Abläufe im Stromnetz gestärkt wird", erklärt die fortiss Wissenschaftlerin.
Ein Forschungsschwerpunkt ist daher die Verbesserung von Vorhersagen, welche sowohl für den Stromverbrauch als auch für das Nutzerverhalten eine sehr wichtige Rolle spielen. Hinsichtlich einer optimalen Planung und Betriebsführung des Ressourceneinsatzes soll der Stromverbrauch für eine definierte Zeitspanne ermittelt werden. Das Prognosemodell, das auf einer Zeitreihenanalyse basiert sowie durch den Einsatz von Maschinellem Lernen (ML) entwickelt wird, kann den Verbrauch für Strombedarf und Stromplanung vorhersagen. Weiterhin entwickelt fortiss eine interaktive und kollaborative Poolingplattform, auf deren Basis untersucht wird, wie aus Verbraucherverhalten automatisiert Nutzerprofile abgeleitet werden können.
Im Anschluss an die Konzeptionsphase folgt die Prototypenphase, in der die grundsätzlichen Funktionen des SMBS zunächst virtuell getestet werden. Danach wird das SMBS und die Poolingplattform in der Laborumgebung am fortiss Institut mit realen technischen Anlagen, Verbrauchern und Erzeugern verbunden und dort erprobt. Am Ende der Entwicklung steht ein sechsmonatiger Praxiseinsatz im Versorgungsgebiet des Stromanbieters e-regio, westlich von Bonn, bei dem Kundinnen und Kunden das System unter realen Bedingungen testen. Parallel finden ein Wissenstransfer mit der Energiewirtschaft unter Federführung der Energieforen Leipzig GmbH sowie eine rechtliche Prüfung des SMBS durch die Hochschule Weserbergland statt.