Guten Tag, Prof. Hamacher. Sie wurden kürzlich zum Research Fellow bei fortiss für den Forschungsbereich "Architectures and Services for Critical Infrastructures" ernannt. Hatten Sie bereits zuvor Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit fortiss und wie sah diese aus?
Tatsächlich freue ich mich über die Ernennung zum Research Fellow sehr. Meine Verbindung zu fortiss wurde vor allem durch das MEMAP (Multi-Energie Management und Aggregations-Plattform)-Projekt gefestigt, in dem wir intensiv an der Entwicklung einer Aggregationsplattform für das Energiemanagement in Quartieren gearbeitet haben. Diese Plattform zielt darauf ab, verschiedene Energie-Management-Systeme in Gebäuden miteinander zu verknüpfen, um das Potenzial für Energieeffizienz zu maximieren.
Darüber hinaus habe ich auch ein Zweitgutachten für Doktoranden erstellt, was mir einen tieferen Einblick in die Forschungsaktivitäten und die Expertise von fortiss verschafft hat. Aktuell arbeiten wir gemeinsam am Projekt NEED (NEuE Daten für die Energiewende), das darauf abzielt, eine nationale Energiedatenplattform aufzubauen. Diese Plattform wird es ermöglichen, verschiedene Datenquellen zu integrieren und zu nutzen, um transparente und verifizierte Daten für Planungsprozesse im Energiesektor bereitzustellen.
Wo sehen Sie die Stärken von fortiss und welche wollen Sie weiter ausbauen?
Die Stärken von fortiss liegen meiner Ansicht nach vor allem darin, wissenschaftliche Ideen in praxistaugliche Produkte umzusetzen, die von einer breiten Nutzerbasis angewendet werden können. Insbesondere im Bereich der Energiesystemanalyse wurden hier von fortiss in den letzten Jahren zahlreiche Software-Werkzeuge entwickelt. Diese werden aber bisher erst von einem kleinen Anwenderkreis genutzt. Hier sehe ich die Möglichkeit, durch ein breiteres Nutzungspektrum die Software für mehr Nutzer zugänglich zu machen. Darüber hinaus besteht Bedarf an der Entwicklung von Standards für Produkte wie Energiemanagementsysteme für Gebäude oder Industrieunternehmen, die bisher von uns nicht in diesem Maße geleistet werden konnten. Daher streben wir an, diese Aspekte weiter auszubauen und fortiss als führenden Anbieter für praxisorientierte Lösungen im Bereich kritischer Infrastrukturen zu etablieren.
Gibt es konkrete Projekte, an denen Sie aktuell mitarbeiten?
Aktuell konzentriere ich mich vor allem auf die intensive Zusammenarbeit im NEED-Projekt. Die Zusammenarbeit innerhalb dieses Projekts verläuft äußerst positiv, und wir haben viele vielversprechende Ideen, wie wir diesem Projekt weiter ausbauen können. Durch die entwickelte nationale Energiedatenplattform können verschiedene heterogene Datenquellen integriert und durch geeignete Verfahren sogar synthetische Daten generiert werden, um fehlende Informationen zu ergänzen. Diese Plattform soll Planungsgrundlagen in digitaler Form bereitstellen und mithilfe von Ontologien die semantische Anbindung unterschiedlicher Planungswerkzeuge ermöglichen. Durch die transparente, digitale und verifizierte Datenbasis des NEED-Projekts können Planungsprozesse erheblich verbessert und beschleunigt werden, was zu einer erheblichen Reduzierung von Kosten- und Zeitaufwänden führt.
Darüber hinaus streben wir neue Kooperationsmöglichkeiten im Bereich des Center for Combined Smart Energy Systems (COSES) an der TU München an, um dort unser Fachwissen und unsere Ressourcen optimal einzusetzen. Das COSES-Labor (Cyber-Physical and Operation Systems Engineering Solutions) ist ein weiteres wichtiges Forschungsgebiet, bei dem wir an der Entwicklung von innovativen Lösungen für cyber-physische Systeme und Betriebssysteme arbeiten. Zudem richten wir unseren Blick auf die Entwicklung und Implementierung von optimierten Energiemanagementsystemen, um so den Bedarf an energieeffizienten Lösungen in verschiedenen Anwendungsbereichen zu decken.
Wo sehen Sie den Beitrag von fortiss in der bayerischen und deutschen Energielandschaft?
Innerhalb der bayerischen und deutschen Energielandschaft sehe ich fortiss als einen maßgeblichen Gestalter. Unser Beitrag liegt vor allem in der Entwicklung und Umsetzung neuartiger Konzepte für die Energieplanung und das optimierte Energiemanagement. Wir setzen dabei auf wissenschaftlich fundierte Ansätze, die jedoch gleichzeitig praxisnah und attraktiv für Unternehmen, insbesondere auch für den Mittelstand, sind. Unsere Forschungsarbeit zielt darauf ab, nicht nur theoretische Modelle zu entwickeln, sondern Lösungen zu schaffen, die tatsächlich von einer breiten Palette von Akteuren angewendet werden können. Auf diese Weise tragen wir dazu bei, die Energiewende auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene voranzutreiben. Unsere Vision ist es, die Effizienz und Nachhaltigkeit im Energiebereich zu steigern und dabei eine Brücke zwischen Forschung und praktischer Anwendung zu schlagen.
Welche Vorteile haben Unternehmen, wenn Sie mit Ihnen ein Projekt realisieren wollen? Gibt es konkrete Angebote, die Sie Unternehmen machen können?
Unternehmen, die mit uns Projekte realisieren wollen, profitieren von unserer umfangreichen Expertise im Bereich des Energiemanagements. Wir bieten innovative Konzepte und maßgeschneiderte Lösungen, die auf den individuellen Bedürfnissen und Herausforderungen des jeweiligen Unternehmens basieren. Ein konkretes Angebot, das wir Unternehmen machen können, besteht darin, ihnen bessere Daten für die Energieplanung schnell und einfach bereitzustellen. Darüber hinaus sind wir in der Lage, Kommunen dabei zu unterstützen, ihre Energieinfrastrukturen effizienter zu gestalten und nachhaltige Energielösungen zu implementieren. Unsere Stärke liegt darin, komplexe Probleme zu vereinfachen und praxisnahe Lösungen anzubieten, die einen echten Mehrwert für unsere Kunden schaffen.
Bei der Realisierung dieser Ziele nutzt und erweitert fortiss das Energy Lab in Forschungsprojekten, um unterschiedliche Anwendungsfälle und Anforderungen abzubilden. Dabei spielen Techniken und Methoden zur Gestaltung und Modellierung kooperierender komplexer Energiesysteme eine zentrale Rolle. Mit standardisierten Schnittstellen können unterschiedliche energietechnische Komponenten wie Batteriespeicher, Photovoltaikanlagen, Sensorik und Geräte zur Anlagensteuerung miteinander verknüpft werden. Unsere Expert*innen entwickeln fortlaufend neue Techniken und Methoden, um kooperierende komplexe Energiesysteme zu entwerfen und zu modellieren, wobei auch Techniken zur Herstellung der Interoperabilität eine entscheidende Rolle spielen. Künstliche Intelligenz (KI) und Maschinelles Lernen (ML) kommen dabei zum Einsatz, um physikalische Wechselwirkungen, Systemzustände und Energieflüsse präzise zu beschreiben und zu berücksichtigen.
Des weiteren bieten wir maßgeschneiderte Lösungen für Unternehmen an, wie beispielsweise die Anbindung an einen lokalen Energiemarkt oder die Überführung von Daten in Modelle zur Analyse verschiedener Szenarien und Systemvariationen. Wir führen auch Hardware-in-the-Loop-Experimente durch und bieten Beratungsdienste zur Analyse und Bewertung von Interaktionen und Regelmechanismen kooperierender Systeme durch KI-basierte Steuerungen an.