MEMAP

Mit digitalen Technologien Quartiere nachhaltig gestalten

Der Klimawandel und die Energiewende erfordern innovative Lösungen für eine nachhaltige Strom- und Wärmeversorgung. Die zunehmende Elektrifizierung, der Ausbau der dezentralen Energieerzeugung und die steigende Fluktuation im Netz bringen das bisherige Versorgungssystem an Grenzen, die nur mit neuartigen Lösungen überwunden werden können. fortiss hat daher gemeinsam mit der Technischen Universität München, dem Batteriespeicherhersteller Fenecon, dem Gebäudemanagement Spezialist Sauter, dem MSR und GA Start-up Holsten Systems, das TGA-Planungsbüro IBDM und der Themenplattform Digitalisierung im Energiebereich von Bayern Innovativ eine digitale Plattform für Energieanlagen entwickelt und am Beispiel Riemerling im Süden von München untersucht. Die Softwareumgebung dient der Vernetzung unterschiedlicher Energieanlagen. Die Verbrauchsdaten einzelner Gebäude werden in einer modernen, digitalen Plattform erfasst, analysiert und optimale Steuersignale an die einzelnen Anlagen bzw. Energiemanagementsysteme zurück übermittelt.

In der angestrebten Transformation zu einer klimaneutralen Energieinfrastruktur spielt der Gebäudesektor eine Schlüsselrolle. Im Forschungsprojekt Multi-Energie Management und Aggregations-Plattform (MEMAP) wurden dazu digitale Lösungen für die gebäudeübergreifende Energieoptimierung durch die Kopplung der Sektoren Strom und Wärme untersucht. In einem gewerblichen Bestandsquartier wurde sowohl der Anlagenbestand in allen Heizungszentralen mithilfe Building Information Modeling (BIM) digitalisiert als auch die Verbrauchsdaten in den Heizzentralen aufgenommen. Die entwickelte, quartiersbasierte Softwareumgebung aggregiert die Daten dann zur Live-Berechnung energieoptimierter Fahrpläne. Durch Übermittlung an die lokalen Energiezentralen können diese im Betrieb umgesetzt werden. Zusätzlich können die Daten in einem integrierten Planungswerkzeug verwendet werden, mit dem weitere Ausbaustufen und deren Einfluss auf den Primärenergiebedarf und die CO2-Emissionen des Quartiers simuliert werden können. Diese innovative BIM-Integration konnte dank des hohen Automatisierungsgrads von Planungsprozessen in der BIM-Plattform von Allplan und der dort verfügbaren APIs im Projekt umgesetzt werden.

MEMAP Projekt
Die Bestandsaufnahme des Testgebiets wurde dazu im Projekt mithilfe von Lasertechnik in einem Drohnenüberflug durchgeführt.

Mit der Novellierung des Klimaschutzgesetzes müssen die gesamten bundesweiten Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 gemindert werden – Klimaneutralität soll bundesweit 2045 und in Bayern bereits 2040 erreicht sein. Für den Gebäudesektor, der in Europa für mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, wurden außerdem gesetzliche Maximalemissionen für die Jahre bis 2030 verabschiedet: Vorgegeben ist eine Reduktion um mehr als die Hälfte innerhalb des laufenden Jahrzehnts, wobei der Gebäudebereich als einziger Sektor sowohl 2020 als auch 2021 den Grenzwert überschritten hat. Diese ambitionierte Transformation kann mittelfristig nur mit digitalen Innovationen gelingen, welche die Energieeffizienz im Gebäudebereich maximieren und durch Vernetzung und Standardisierung Synergieeffekte erschließen.

MEMAP Projekt
Benutzeroberfläche des MEMAP-Planungstools.
MEMAP Projekt
3D Modell (BIM) des Quartiers mit Heizzentralen und Nahwärmenetz.

Digitalisierung von Bestandsgebäuden für die Multi-Energie-Optimierung im Quartier

Neben der Entwicklung einer Softwareumgebung zum Quartiersenergiemanagement war eine besondere Herausforderung des Forschungsprojekts MEMAP die durchgängig digitalisierte Bestandsaufnahme von Daten eines Gebäude- und Anlagenbestands in eine gebäudeübergreifende Quartiersplanung. Ziele waren eine automatisierte Überführung in das im Projekt entwickelte Datenmodell und die niederschwellige Durchführung einer Quartiersoptimierung im Planungswerkzeug der MEMAP-Softwareumgebung in verschiedenen Ausbaustufen.

Das vom Projektpartner IBDM verwendete 3D-Scanning ist eine automatische Aufnahmemethode für die Digitalisierung von Gebäuden, Bestandsanlagen in der Gebäudetechnik oder auch Skulpturen. Hierzu wird vom 3D-Scanner ein Lichtstrahl (Laserstrahl) ausgesendet. Befindet sich ein Gegenstand in einer entsprechenden Reichweite, wird der Lichtstrahl vom Gegenstand reflektiert und vom 3D-Scanner wieder aufgenommen und als einzelner Punkt in der Aufnahme gespeichert.

Die Daten wurden vom Planungsbüro IBDM in das von Autodesk entwickelte Werkzeug REVIT eingepflegt und dort in das Dateiformat IFC konvertiert. Ziel des MEMAP-Projekts war nun die Integration der im BIM-Modell verfügbaren Daten in die Multi-Energie-Planung auf der Basis derselben Optimierungsalgorithmen, die auch beim Betrieb der MEMAP-Plattform im Bestand angewandt werden. Hierzu mussten die im BIM-Modell verfügbaren Daten automatisiert ausgelesen und in das Datenmodell des Optimierungsalgorithmus übersetzt werden. Aufgrund der komplexen BIM-Struktur und der starken Verschachtelung erwies es sich in einem ersten Ansatz über BIMServer.org und die dort enthaltene JSON-API als nicht trivial, ein geeignetes Filter- und Suchkonzept für den Datenimport zu entwickeln.

Lösungen durch Kooperation

Nach mehreren Versuchen gelang der Durchbruch letztlich mithilfe der Bimplus-Plattform von Allplan. Diese konnte die IFC-Modelle gut importieren und hatte eine gut dokumentierte API.

Die Durchgängigkeit von BIM zum MEMAP-Planungsprozess konnte somit erfolgreich gezeigt werden. Die Anlagenkonfiguration des Bestandsquartiers kann in der grafischen Benutzeroberfläche des Planungswerkzeugs weiterbearbeitet werden und durch das Einlesen von historischen Last- und Erzeugungsprofilen als CSV-Dateien können verschiedene Betriebsszenarien und -varianten berechnet werden.

Über eine weitere Kooperation im Forschungsprojekt ist es darüber hinaus gelungen, die gemessenen Verbrauchsdaten in Echtzeit in das vom Projektpartner IBDM erfasste BIM-Modell zu integrieren und die Werte und deren Verlauf an den entsprechenden Messstellen anzuzeigen. Diese Datenübertragung wurde dabei über die OPC-UA-Schnittstelle und dieselbe Server-Client-Architektur realisiert, wie sie auch für die Kommunikation der MEMAP-Plattform mit den lokalen EMS im Quartiersbetrieb verwendet wird.

Klimaneutralität ist das Ziel

Über die Simulationen auf Basis der BIM-Daten konnten im Projekt wichtige neue Erkenntnisse gewonnen werden. Zum Beispiel hat sich gezeigt, dass die Überdimensionierung von Wärmeerzeugungsanlagen in Bestandsgebäuden generell deutlicher ist als angenommen und dass sie großes Effizienzsteigerungspotenzial bei der Vernetzung der einzelnen Wärmeversorgungen bietet. Nahwärmenetze müssen bidirektional werden, Konsumenten von Energie werden so zu Prosumenten. Neuinstallationen im Bestand müssen dahingehend bereits heute zukunftsfähig gemacht werden, um die Klimaneutralität der Städte bis spätestens 2045 zu ermöglichen, und sie können zudem im Gebäudeverbund durch Verdrängung ineffizienter Anlagen eine deutlich wirtschaftlichere und ökologischere Wirkung entfalten als in einzelnen Gebäuden.

Dr. Jan Mayer

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Dr. Jan Mayer

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